Im österreichischen Erbrecht herrscht der Grundsatz der Testierfreiheit. Jeder kann daher frei darüber entscheiden, was mit seinem Vermögen nach seinem Ableben passieren soll. Im folgenden Beitrag werden die Ausnahmen zu diesem Grundsatz dargestellt.
Pflichtteil
Die praktisch bedeutendste Einschränkung der Testierfreiheit stellt das Pflichtteilsrecht dar. Die pflichtteilsberechtigten Nachkommen des Verstorbenen und der Ehegatte beziehungsweise eingetragene Partner haben Anspruch auf einen Mindestanteil aus der Verlassenschaft. Das Pflichtteilsrecht gilt grundsätzlich uneingeschränkt und kann nicht umgangen werden. Hiervon gibt es lediglich zwei Ausnahmen: die gänzliche Entziehung des Pflichtteils bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes oder die Minderung des Pflichtteils auf die Hälfte bei fehlendem Naheverhältnis.
Eine gänzliche Entziehung des Pflichtteils und damit eine Enterbung kommt nur bei schwersten Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten gegen den Verstorbenen oder seiner nächsten Angehörigen infrage.
Der Pflichtteil kann vom Erblasser auf die Hälfte gemindert werden, wenn zwischen ihm und dem Pflichtteilsberechtigten nie oder zumindest über einen längeren Zeitraum (zumindest 20 Jahre) kein Naheverhältnis bestanden hat. Hat der Erblasser jedoch den Kontakt grundlos verweigert oder berechtigten Anlass zur Kontaktvermeidung gegeben, kann er den Pflichtteil nicht mindern.
Sittenwidrige Bedingungen oder Auflagen
In einem Testament können grundsätzlich Bedingungen oder Auflagen verfügt werden, wie zum Beispiel, dass A mein Erbe sein soll, wenn er zum Zeitpunkt meines Ablebens das 18. Lebensjahr vollendet hat. Verboten sind aber Bedingungen oder Auflagen, die gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen. Sittenwidrig sind zum Beispiel Bedingungen, die ohne sachliche Rechtfertigung Differenzierungen aufgrund des Geschlechts, der Religionszugehörigkeit oder der sexuellen Orientierung enthalten. Trotz einer sittenwidrigen Anordnung bleibt das restliche Testament weiterhin gültig, es entfällt nur die sittenwidrige Klausel.
Auswahl des Erben durch Dritte
Ein weiterer Grundsatz im Erbrecht ist die Höchstpersönlichkeit. Der Testator kann daher die Auswahl des Erben nicht in das freie Ermessen eines Dritten stellen, wie zum Beispiel, dass A bestimmen soll, wer mein Erbe wird.
Zulässig wäre jedoch die Auswahl durch einen Dritten nach vorgegebenen objektiven Kriterien aus einem kleinen Personenkreis. Hier müssen die Kriterien so ausreichend bestimmt sein, dass noch vom letzten Willen des Erblassers gesprochen werden kann. Ein Beispiel wäre etwa folgende Formulierung: Mein Erbe soll jenes meiner Kinder sein, welches aufgrund seiner Ausbildung, Fähigkeiten und Interessen am besten zur Führung meines Unternehmens geeignet ist. Die Auswahl soll A treffen.
Generationenübergreifende Erbfolge
Im Normalfall ordnet der Erblasser im Testament nur den beziehungsweise die von ihm gewünschten Erben an. Doch es gibt auch die Möglichkeit, neben dem ersten (Vor-)Erben einen zweiten (Nach-)Erben einzusetzen. Dieser erbt erst nach dem Vorerben. So kann der Testator eine Vermögensweitergabe über mehrere Generationen anordnen. Um eine zu weitreichende Vermögensbindung über mehrere Generationen zu verhindern, gibt es hierbei Einschränkungen zu beachten:
Es könne zwar beliebig viele Zeitgenossen, das heißt Personen, die bei Errichtung des Testaments durch den Erblasser bereits leben oder zumindest schon gezeugt wurden, zu Nacherben eingesetzt werden. Für die Einsetzung von sogenannten Nichtzeitgenossen gibt es jedoch Einschränkungen, die je nachdem variieren, welche Vermögenswerte der Nacherbschaft unterworfen werden sollen. Bei Liegenschaften ist die Berufung von Nichtzeitgenossen etwa auf einen Nacherbfall beschränkt.
Fazit
Wie die genannten Ausführungen zeigen, kann der Erblasser zwar grundsätzlich frei darüber entscheiden, wer nach seinem Ableben welches Vermögen bekommen soll, doch unterliegt er dabei auch einigen Einschränkungen, welche bei der Errichtung eines Testaments stets zu beachten sind.
Katharina Müller, Martin Melzer
Der Artikel erschien am 2.12.2024 im DerStandard Blog „Erben ohne Streit“